Unfallversicherung für Kinder: Worauf Eltern wirklich achten sollten
Die große Illusion: „Mein Kind ist doch versichert!“
Die meisten Eltern wissen, dass ihre Kinder in Kindergarten, Schule und auf dem Schulweg über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert sind. Was viele nicht wissen: Diese Absicherung greift nur bei etwa 18 Prozent aller Kinderunfälle. Der Rest passiert dort, wo Kinder die meiste Zeit verbringen – zu Hause, beim Sport, auf dem Spielplatz oder im Straßenverkehr.
Rund 27.000 Kinder verunglückten 2024 allein im Straßenverkehr, die meisten davon mit dem Fahrrad. Die gesetzliche Schüler-Unfallversicherung? Zahlt in diesen Fällen keinen Cent, wenn der Unfall nicht auf dem direkten Schulweg passiert. Und selbst wenn sie zahlt, beginnt die Leistung erst ab einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent.
Was Eltern bei einer privaten Unfallversicherung beachten sollten
Eine private Unfallversicherung schließt genau diese Lücke – wenn sie richtig gewählt wird. Doch der Teufel steckt wie so oft im Detail:
Die Versicherungssumme: 100.000 Euro Grundsumme klingen erst mal viel. Doch bei schweren Verletzungen mit dauerhaften Einschränkungen reicht das kaum für behindertengerechte Umbauten, spezielle Therapien oder langfristige Betreuung.
Die Gliedertaxe: Hier zeigt sich, wie großzügig oder knauserig eine Versicherung wirklich ist. Während Standard-Tarife zum Beispiel für den Verlust eines Auges 50 Prozent der Versicherungssumme zahlen, bieten bessere Tarife bis zu 100 Prozent. Gerade bei Kindern sollte man hier nicht am falschen Ende sparen.
Verzicht auf Gesundheitsfragen: Einige Versicherer verzichten bei Kindern komplett auf Gesundheitsfragen. Das ist besonders wertvoll, denn bereits diagnostizierte Allergien, ADHS oder frühere Verletzungen können sonst zu Ausschlüssen oder Ablehnungen führen.
Zusatzbausteine mit echtem Mehrwert: Unfallschutzbrief, Reha-Management oder Akuthilfe sind keine Verkaufsschmäh, sondern können im Ernstfall den entscheidenden Unterschied machen – etwa wenn es um schnelle Zweitmeinungen oder die Organisation von Spezialtherapien geht.
Der blinde Fleck: Wenn Krankheit zum Risiko wird
Und hier wird es interessant: 91 Prozent aller schweren Behinderungen bei Kindern und Jugendlichen entstehen nicht durch Unfälle, sondern durch Krankheiten. Krebs, psychische Erkrankungen, chronische Leiden – dagegen hilft die beste Unfallversicherung nicht.
Genau deshalb lohnt sich für Eltern ein Blick über den Tellerrand: Eine Berufsunfähigkeitsversicherung für Kinder und Jugendliche klingt zunächst absurd – schließlich haben sie noch gar keinen Beruf. Doch die Logik dahinter ist bestechend:
- Gesundheitsprüfung im Kindesalter: Wer mit 10 oder 15 Jahren eine BU abschließt, ist meist noch kerngesund. Spätere Erkrankungen, Rückenprobleme oder psychische Diagnosen können den Abschluss später erschweren oder unmöglich machen.
- Günstige Beiträge: Je jünger der Versicherte, desto niedriger der Beitrag – und der bleibt dann auch über Jahrzehnte stabil.
- Absicherung der Schulunfähigkeit: Moderne Tarife zahlen bereits, wenn das Kind aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Schule gehen kann. Später greift dann der reguläre BU-Schutz für den Beruf.
- Nachversicherungsgarantien: Viele Tarife erlauben es, die Versicherungssumme bei Ausbildungsbeginn oder Berufseinstieg ohne erneute Gesundheitsprüfung zu erhöhen.
Nicht jeder Versicherer bietet solche Tarife an, und nicht für jede Familie ist das der richtige Weg. Aber: Es lohnt sich, diese Option zumindest zu prüfen.
Die individuelle Lösung macht den Unterschied
Ob Unfallversicherung, BU-Schutz oder eine Kombination aus beidem – die „richtige“ Absicherung gibt es nicht von der Stange. Sie hängt ab vom Alter des Kindes, den Freizeitaktivitäten, dem familiären Sicherheitsbedürfnis und natürlich auch vom Budget.
Was alle Eltern jedoch wissen sollten: Die gesetzliche Absicherung ist dünn, und die Zeit arbeitet gegen sie. Jede Erkrankung, jede Diagnose macht eine spätere Absicherung schwieriger. Wer heute handelt, hat morgen mehr Optionen.
Und am Ende geht es nicht um Versicherungsprodukte, sondern um eine simple Frage: Was braucht mein Kind, um auch im schlimmsten Fall ein selbstbestimmtes Leben führen zu können? Die Antwort darauf ist so individuell wie jede Familie selbst.